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Das gute Herz des Argamaks

Ksenija Rjabowa

Es war im Jahr 2005. Mit schwermütig gesenktem Kopf lag der goldfalbe Achal-Tekkiner Salam auf dem Boden seiner Box im Pferdestall. Jeden Tag bekam er Besuch von einem blonden Mädchen im Rollstuhl.Ksenija Ryabowa ist Mitglied des russischen Paralympics-Teams und Teilnehmerin der WM für behinderte Reiter 2003 in Belgien, vielfache Goldmedaillengewinnerin der Moskauer- und drei-fache Goldmedaillengewinnerin der nationalen russischen Behinderten-Meisterschaften in dem 1a Grad. In diesem Jahr stellte sich für die außergewöhnliche Sportlerin eine wichtige Frage nach einem neuen Pferd. Zu dieser Zeig gab es im Vereins-Stall nur ein 7-jähriger Salam, der an keinen Sportler gebunden war.
Viele Pferdetrainer behaupten einstimmig, dass der Achal-Tekkiner für einen behinderten Reiter kein ideales Pferd sei, und bezeichnen diese Pferderasse entweder als „bösartig, gefährlich und hinterlistig oder einfach als sehr schwierig“.
Salam, ein reinrassiger Achal-Tekkiner aus Kalmykia war,  wie ein echter „Windhund unter Pferden“, so nennt man die Achal-Tekkiner,  schmal, hatte schlanken Hals, sehr lange Beine, feine dünne Mähne und Schopf. Passend zu seinem edlen Exterieur hatte er einen sensiblen Charakter.


„Ein halbes Jahr lang konnte ich mich zu keinem Entschluss durchringen“, sagt Frau Kosyrewa, die russische Reiterlehrerin für Behinderte aus Troizk. Einerseits hatte sie nie mit  Achal – Tekkinern zu tun, andererseits sollte Reitkarriere der erfolgreichen Sportlerin nicht im Sande verlaufen. Weder in Russland noch in Deutschland gab es erfolgreiche Achal-Tekkiner – Ausbilder für Behinderte.
Jedoch nach zahlreichen Gesprächen mit Ksenija beschloss Swetlana Kosyrewa zu riskieren.     Ksenija und Swetlana mussten Mittel und Wege finden, sich mit dem Tekkiner so zu verständigen und ihn so auszubilden, dass er die unwillkürlichen Bewegungen und Muskelspannungen und Spastiken der   behinderten Frau außer acht lässt. Eine Lösung kam unerwartet: Eines Sommerabends ließ Swetlana  Ksenija und Salam allein auf einer Wiese. Zögernd näherte sich das Pferd dem Mädchen, machte ein kurzes Schnüffeln an ihr und begann ihre Schulter, Hände, den Kopf, mit voller Eifer zu belecken. Auch ihren Rollstuhl, „weil er mir das Leben einfach leichter macht“. Aus der Angst konnte sich Ksenija nicht rühren.

Seit dieser Zeit verbrachten Ksenija und Salam eine-zwei Stunde vor dem Reitunterricht auf der Wiese. Das Pferd kam einfach zu Ksenija an und legte sich zu ihren Füßen hin. Das Mädchen hatte immer ein Stück Zucker oder eine Möhre. Das Tier zog vorsichtig mit den Lippen den festhaltenden in ihrer Handfläche Leckerbissen heraus. Wenn es gekommen war, dass ihr er zufällig auf die Finger biss, sprang er von ihr angsterfüllt und warf auf sie einen schuldbewussteren Blick. Selbstverständlich war es sofort verzieh worden. „Salam, komm zu mir!“, rief sie ihren Freund. „Komm zu mir, mein Glöckchen, komm doch, komm zu mir!“ Erfreut lief Salam zu ihr, beugte sich über Ksenija, damit sie ihn tätscheln und streicheln konnte. Nach Verlauf von einigen Tagen verstand Salam ihre Rede, gewöhnte an ihren heftigen chaotischen Bewegungen. „Salam ließ mich während Turnier nie im Stich, erinnert sich Ksenija. Er war genau wie sie ein Kämpfer. Das schweißte sie eng zusammen.
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Bei dem ersten Turnier nach der jahrelangen Pause ließ sich Salam von ungewöhnlicher Umgebung und vom Beifall aus der Ruhe nicht bringen. „Er setzte alles nur daran zu begreifen: Was ich eigentlich sagen will“, erzählt Ksenija.
Dank dem Salam änderte Ksenija Rjabowa gründlich ihr Verhalten zu den Pferden. „Früher habe ich niemals mein Pferd – sei es Sultan, Gabat oder Skaz – ausgebildet. Ich verhielt mich zu den Pferden wie… wie zu den Sportgeräten“, gesteht Ksenija. Sie war überzeugt, dass die Aufgabe des Pferdes darin besteht, ihre Befehle haargenau zu befolgen. Die schlechte Tagesform oder eine Erkältung des Pferdes? Dafür sich das Mädchen nicht interessierte.
Salam weckte in Ksenija den Wunsch, seine Verhalten und Körpersprache zu verstehen, für ihn zu sorgen, ihn auszubilden. Ksenija ließt sich bei den Trainern und den erfahrenen Reitern über Haltung, Rassen, Sport raten, las zahlreiche ausführliche Artikel und Bücher, unter anderem über gewaltlosere Pferdeausbildung. Sie entwickelte ihre eigene Philosophie und Verständnis des Pferdes. „Ich wollte mit ihm auf dem Fuße der Gleichberechtigung verkehren, falls notwendig war ich bereit nachzugeben“, spricht Ksenija. Sie wünschte die Freundschaft des stolzen Achal-Tekkiners zu erobern und verzichtete deshalb zeitweilig auf Trense und Sattel.
„Ohne Salam konnte ich nicht leben, ich glaube, er ohne mich auch“, sagt Ksenija. „Wenn der Tekkiner einverstanden ist, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, das bedeutet, er vertraut Ihnen. Seit her ist er kein Reiterpferd, allein Freund, wie Salam.“

Fotos: Ksenija Rjabowa

Fotos: Ksenija Ryabowa

Vor einigen Jahren ist Salam gestorben. In der Nacht, von Kolik. Ksenija musste trotzdem leben. Und sehend auf ihre kleine gesunde Tochter, die nach dem Tod Salam geboren ist, träumen Ksenija und ihr Mann, dass Karine  irgendwann einen Achal-Tekkiner haben wird, der mit ihr durch dick und dünn gehen würde.

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