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Das lebendige Gold Russlands

Der Ausritt "Moskau-Paris" Fotos: Alexander Toker

Der Ausritt “Moskau-Paris”, 2012
Der Ausritt „Moskau-Paris“ war dem 200. Jahrestag des russischen Sieges im Vaterländischen Krieg 1812 gewidmet. 22 Donkosaken auf 20 reinrassigen Don-Pferden legten noch einmal den Weg der Donkosaken unter Ataman Platow zurück, der im Herbst 1812 vor Moskau begann und bis Paris führte. Die Kampagne dauerte mehr als zwei Monate an und endete am 18. Oktober in der französischen Stadt Fontainebleau.

Horse Cavalery March Moscow-Paris

Der Ausritt Moskau-Paris, 2012

Ein Tor der Pferdepension und des Reiterhofs „Hof Elmenthal“, wunderschön gelegen inmitten des Thüringer Waldes, steht offen. Auf dem ganzen Hof ist große Bewegung. Zwei Tage sind die 20 robusten Don-Pferde bei den Besitzern Katrin und Andreas Besensee-Klockmann zu Gast. In wenigen Minuten sollen sich die Kosaken in Marsch setzen. Ebenda stehen vier Pferdetrailer, ein Rettungswagen, drei Begleitungsautos. Die Kosaken, sie tragen  eine Uniform der kaiserlichen Armee aus der Zeit des 19. Jahrhunderts, führen an mir die eleganten Goldfüchse mit dem gut gewölbten Hals vorbei. Ich fotografiere fast alle Pferde, die mir vor der Linse kommen, und murmele immer wieder vor mich hin: „Gold, ein wahres Gold! Das ist ein lebendiges Gold!“

Das echte Gold Russlands

Das echte Gold Russlands

 

Unerwartet höre ich einen Freudenruf. Über das ganze Gesicht strahlend kommt mir Frau Dr. Anna Nikolaeva entgegen. Ich habe sie durch Zufall bei einem Pferdefest 2012 im tschechischen Gestüt Slatinany kennengelernt. Es stellt sich heraus, dass Frau Dr. Nikolaeva die reinrassigen Don-Pferde für dieses Projekt ausgesucht hat und sie jetzt auf dem Marsch begleitet. „Es war nicht einfach“, erinnert sich Anna Alexandrowna, „die Donkosaken ritten in den alten Zeiten ausschließlich die Don-Pferde, obendrein nur die Hengste.“ Die Kavallerie von Ataman Platow zählte circa 60.000 Don-Pferde. Heute gibt es in Russland nur noch etwa 800 Tiere dieser Rasse. „Die Popularisierung der  Don-Pferderasse ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben des Pferderittes“, sagt Frau Dr. Nikolaeva mit der Hoffnung in der Stimme.

Der Ausritt Moskau-Paris, 2012

Der Ausritt Moskau-Paris, 2012

 

Auf der Suche nach den reinrassigen Don-Pferden besucht Anna Alexandrowna „Budjony“ sowie „Zimowskij“ Don-Pferde Gestüte. Im Letzteren leben die Pferde in Herden unter freiem Himmel, deswegen kennen sie die Menschen kaum. Nach der ersten Hengst-Vorauswahl kommt Anna Alexandrowna mit einem Tierarzt und einem Röntgengerät, um sich über die Gesundheit der ausgesuchten Pferde zu vergewissern. Die gesunden Don-Hengste – unter ihnen drei Wallache – werden in die Don-Pferde-Zuchtfarm von Pawel Moschtschalkow gebracht. Er selbst ist Pferdezüchter und Initiator des Pferderitts „Moskau-Paris“. Dorthin kommen auch die 25 Kosaken und die Vorbereitung zum Marsch Moskau-Paris 2012 werde begonnen.

Insgesamt nehmen an dem Ritt 48 Menschen teil, unter ihnen sind 22 Donkosaken im Alter zwischen 19 und 67 Jahren. „Und keine Reiterin!“, lacht Frau Dr. Nikolaeva fröhlich. Jedoch sind Frauen im Team. Da sie nicht reiten dürfen, bekleiden sie verschiedene leitende Posten: eine Leiterin des Marsches, eine Tierärztin, eine „Hausvertrauensfrau“, Verantwortliche für das Aussehen der Kosaken und der Pferde“. Frau Dr. Nikolaeva hält die Pferde unter Kontrolle.

Der Ausritt Moskau-Paris, 2013

Der Ausritt Moskau-Paris, 2012

Einen Platz für eine Menge Menschen und Pferde nebeneinander zu finden, ist sehr schwer, deshalb übernachtet die Gruppe nicht selten in einer Entfernung von zehn bis zwanzig, in Russland und in Weißrussland von 50 Kilometern von den Pferden. Im Vergleich zu den Kosaken vom Ataman Platow, die jeweils zwei Pferde hatten – das zweite war als Ersatzpferd im Wagenzug – „wir haben nicht die Möglichkeit von Ersatzpferden. Aus diesem Grunde sind die Reiter für die eingeplanten täglichen 75 Kilometer in drei Gruppen geteilt. Die Pferde werden mit dem Transporter und die Reiter mit einem Bus zu drei nacheinander liegenden 25 Kilometer-Punkten auf der Strecke gebracht“, so Frau Nikolaeva.

Im Laufe unseres Gespräches beobachte ich, wie  die Don-Hengste in die Boxen gestellt werden. Jeder Donkosak führt sein eigenes Pferd. Doch nicht jeder. Im Stall reichen die Plätze nicht für alle Pferde aus, deshalb werden drei Hengste auf einer Koppel mit einem Elektrozaun gelassen. Nebenan grasen die schönen Stuten. Der Hengst nimmt Anlauf auf der Koppel, springt über den hohen Elektrozaun zu den Stuten. Er hat keinen Bruch, nur Verletzungen. Seinem Beispiel folgen zwei andere. „Ja, sie zu fangen, dafür haben wir uns gestern abgeschwitzt“, erinnert sich ein Kosake Viktor. „Es ist aber leichter, als die wilden Pferde zu zähmen und auszubilden.“

Der Ausritt Moskau-Paris, 2012

Der Ausritt Moskau-Paris, 2012

Die Kosaken sowie ihr Ataman Alexander Kaljakin – gleichzeitig der Ausbilder der Pferde und der Kosaken – lebten ein Jahr in einer Kaserne auf dem Hof von Herrn Moschtschalkow und haben eine einjährige gezielte Vorbereitung hinter sich. „Um die Wahrheit zu sagen, war es sehr schwierig, 22 Donkosaken zu finden, die sehr gut reiten konnten, ein Jahr in der Kaserne leben mochten und mit etwa 3400 Kilometern Ausritt einverstanden waren“, so Herr Kaljakin. Dazu stellte er an die Reiter hohe Anforderungen: „Wir müssen doch durch Europa reiten! Hier verstehen sich die Menschen gut auf Pferde. Bei alledem sind wir die Nachkommen der geschickten Kunstreiter, die Säbel und Piken perfekt zu führen wussten.“ Zunächst aber sollten sich die Pferde an die Menschen einfach gewöhnen. Vor dem Start wurden die Reiter und ihre Pferde von einer Kommission unter die Lupe genommen. Auf dem Weg müssen die Kosaken ihr reiterliches Können für die begeisterten Zuschauer in mehreren Städten präsentieren. Trotzdem sei der Zug der Donkosaken keine Show-Gruppe, betont der Ataman.

nach Paris, 2012

nach Paris, 2012

Heutige Wegstrecke beginnt unsere Gruppe in der Nähe des Dorfes Wahlwinkel und zum Übernachtungshotel „Kleiner Inselberg“ am Rennsteig führt. Als wir zum Startort kommen, ist die Luft noch kühl. Der mild in Gelb gefärbte Wald und die goldgelben Hengste wirken harmonisch zusammen und wirken wie ein gewaltiges Gemälde. Die Hengste sind friedlich und ruhig wie herbstliche Tage in Thüringen. Jeder Leiter der Gruppe hat ein Navigationssystem. Viktor bemerkt skeptisch: „Trotzdem kommen wir immer wieder vom Weg ab.“ Ohne Hektik satteln die Kosaken ihre Pferde, sprechend gleichzeitig miteinander und mit uns. Gleich daneben auf einer Wiese starren zwei Kaltblüter-Stuten auf die Hengste.

ein Treffen in Deutschland, 2012

ein Treffen in Deutschland, 2012

Die zwei gestrigen Abenteurer sind mucksmäuschenstill und stehen bewegungslos neben einem Elektrozaun. Ein Mann und eine Frau, die sich unsicher der merkwürdig bekleideten Gruppe der Reiter nähern, möchten wissen, was neben ihren Stuten passiere. Niemand kann in der Gruppe Deutsch. Endlich komme ich dazu. Nach meiner Erklärung atmen die Deutschen auf, sie fahren aber nicht sofort weg. Die Kosaken präsentieren wie nebenbei die Schönheit ihrer Pferde. Die Dorfbewohner betrachten sorgfältig die Hengste, erstaunen, dass die Pferde ohne Spray so leuchten. Besonders ein Hengst. Er ist ein wahres Goldstück! Von ihm kann man die Blicke nicht abwenden. Ein Lächeln spielt der Frau Nikolaeva um den Mund. Bombej hat sie sehr stark in Anspruch genommen. Er war wild und ließ niemanden an sich heran. Trotz seiner Schönheit musste er verkaufen werden. Am Tag vor dem Verkauf kommt Bombej von sich aus zu den Menschen und bleibt bei ihnen.

Es geht weiter

Es geht weiter

 

Endlich geht es los. Die Hengste heben ihre Köpfe und Schweife und stolzieren langsam an den Stuten vorbei. Der Marschweg führt über Feld- und Waldwege. Unterwegs zeigen die Donkosaken die Pferde in allen Gangarten. Wenn die Strecke durch kleine Dörfer liegt, versuchen die Reiter den Straßenrand zu begehen. Nach den 16 Kilometern führt der Weg in den tiefen Wald. Dort kommt das Auto nicht durch. Am Zielort werden die Pferde abgesattelt und zurück zur Station für die Übernachtung gebracht. Für alle Eventualitäten steht auch der Rettungswagen da. Wurde er von bisher gebraucht? Gottlob noch nie.

Als die Donkosaken aus dem Wald kommen, sind die Pferde entgegen allen Erwartungen entspannt und ruhig. Selbst die Reiter machen sich lustig über sich, weil sie trotz der Navigation wieder den Weg verlor. Die Kosaken satteln die Tiere ab und mustern sie: Alle Pferde kommen wohlbehalten zurück. Legen die Menschen und die Pferde mehr als 1700 Kilometer zurück? Seit dem Morgen, als ich ihre fröhlichen Gesichter und ihre Heiterkeit gesehen habe, liegt mir diese Frage auf der Zunge. Ja, 1700 Kilometer liegen hinter ihnen und noch 1700 Kilometer vor ihnen.

Für Heute: Ende gut, alles gut

Für Heute: Ende gut, alles gut

Die Pferde werden in die Boxen verladen. Ein junger Kosake sitzt auf dem Gras seitwärts, hält in der Hand die Marschroute für morgen und erzählt seinem Pferd, wie sie morgen reiten, um nicht sich zu verirren. Sein Pferd frisst Gras und dreht jedes Ohr hin und her, dann dreht es seinen Kopf zu dem Zettel. Am Ende dreht es seinen Körper zu ihm und hört zu kauen auf.

Die Sonnenstrahlen spielen auf den Rücken der Hengste. Ich fotografiere alles, was mir vor der Kamera kommt. Ja, bestimmt ist es das lebendige Gold Russlands. Ich meine die Menschen auch.

Entspannung

Die Entspannung nach dem Marsch

 

 

 

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Das mit der Goldfarbe der Donpferde ist mir ein Begriff aus der Jugendzeit, als es in Westeuropa noch echte Donkosakenpferde gab. Das Tamtam mit den 3400 Kilometer hingegen ist mir recht unbegreiflich, ebenso die Reiseunterbringung. Ich bin selber schon quer durch Europa in Uniform geritten, mit Freunden, und kann auch problemlos eine pferdegerechte Strecke mit pferdegerechten historischen Übernachtungen organisieren. Wenden Sie sich das nächste Mal an uns….

    Gruss

    WWA

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